„Berg Heil“ ohne Handschlag…

…außergewöhnliche Umstände, erfordern auch außergewöhnliche Verhaltensregeln.

Unser Mammutfelsen gesperrt und das Atelier ebenso, begründet durch die aktuell ausgehende Gefahr vom sich weltweit schnell ausbreitenden Coronavirus.

Ein Sonntag mit blauem Himmel und Sonnenschein und einem Ziel, den Thüringer Wald mit dessen Klettermöglichkeiten. Meine Idee, den Tag zu nutzen, findet auch Thomas Stäbler gut – den möglicherweise vorerst letzten Tag für solche Unternehmungen, abhängig davon, welche politischen Entscheidungen vielleicht schon am selben Abend noch dies auf bestimmte Dauer unmöglich werden lassen.

So passt das von mir auserwählte Ziel ebenso ganz gut, um dennoch stets den vom RKI empfohlenen, aktuellen Mindestabstand von 2 Metern zwischen 2 Personen zu wahren.

Thomas Stäbler fährt gewöhnlich fast jeden Sonntag die A 71 zu seiner bayerischen Dienstwohnung. Unser Ausgangspunkt Bahnhof Gehlberg liegt nur 13 Kilometer von der A 71- Abfahrt Gräfenroda entfernt. So können wir uns, jeder „isoliert“ mit seinem Auto anreisend, für unsere geplante Unternehmung dort treffen. Der Geierfelsen ist nur wenige Minuten vom Waldweg entfernt. Stets >2 Meter meinen Schritten folgend, Thomas.

Auch beim Anlegen der Kletterausrüstung wahren wir Abstand, ungewöhnlich schon, aber die Ereignisse der letzten Wochen haben uns dies schnell gelehrt und wir sind diszipliniert. Am Geierfelsen werden wir keine Leute treffen, sind es doch trotz der Sonne nur um die 0 Grad. Ich steige ein. Der Felsen ist im unteren Bereich im Schatten, der Fels unangenehm feucht und kalt. 2 Klemmkeile als Zwischensicherung und der 1. sonnendurchflutete Bohrhaken ist erreicht. Puh, tief durchatmen. Weiter geht´s . Vom 2. Bohrhaken ist der Gipfel nicht mehr all zu weit, aber spannend bleibt es bis zum Ausstieg.

„Stand“. Oben halte ich auf dem kleinen Gipfel Ausschau, so dass auch Thomas & Thomas hier oben beim Ausstieg des Nachsteiger Thomas, weiter 2 Meter auf Distanz bleiben können. „Nachkommen“

Wenig später kann auch der Nachsteiger Thomas den herrlichen Rundblick auf dem Gipfel genießen. Seiner Ausstiegsposition geschuldet, wird er auch dafür der Erste sein, der die Tauglichkeit des Bühlerhaken zum Abseilen testen darf.

Wieder am Wandfuß angekommen, soll´s das aber noch nicht gewesen sein. Entdeckte ich doch mit meinem Sohn auf einer Schneeschuhtour ein Jahr zuvor, den Felsenschlagturm.

Um vom Geierfelsen aus dorthin zu gelangen, muss man allerdings erst einmal weglos durch den Steilwald hinauf und über den Gipfel des Dörrkopf 844m wandern. Weiter geht es mit Blick und in Richtung des zweithöchsten Thüringer Berg (Schneekopf 978m). Noch bevor es in den (Schneekopf) Wald hinein geht, zweigt man nach links ab, in Richtung der am Horizont sichtbaren Felsformation. Dort mittendrin befindet sich auch der Felsenschlagturm. Nun angekommen und auch schon zuvor auf dem Weg dorthin spürbar, der stetig zunehmende Wind, welcher die ohnehin schon frostigen Temperaturen, noch merklich frostiger macht.

Zuerst steigen wir auf einen, dem Felsenschlagturm vorgelagerten Felsen hinauf. Dieser bietet nicht nur senkrechte, abweisende Flanken, nein es gibt auch einen seilfreien Einser hinauf. Dort oben sichte ich die schon 1 Jahr zuvor im Sonnenschein mich anblinkende Gipfelbuchkassette des Felsenschlagturm gegenüber. Wird es heute was werden? Wir gehen hinüber. Thomas meint auf Grund des eisigen Windes nicht mit rauf kommen zu wollen. Ein heißer Kaffee in meinen Händen, welche dennoch im Eiswind immer steifer zu werden scheinen. Das Seil bereits durchgezogen, so liegt es auf dem Boden bereit. Ein wenig später, mit der 8 eingebunden, Thomas mit HMS wartend. Mit Klopfen und Reiben versuche ich ein wenig die tauben Hände zu wärmen und los nun, besser wird´s wohl nicht werden. Eine Bandschlinge um eine kleine Tanne ist die 1. Zwischensicherung, eine Schlinge um eine kleine Birke die 2. Ein ausgesetzter Spreizschritt hinüber und die enge Scharte am Doppelgipfel ist erreicht. Mittendrin ein Bohrhaken, ein sicherer Stand. Die Hände bereits wieder taub, so spreize ich zwischen den beiden Gipfelfelsen hinauf, um die Gipfelbuchkassette zu erhaschen. Nur schnell einen Eintrag um rasch wieder abseilend nach unten zu kommen.

Während ich geschwind das Equipment in den Rucksack zu verstauen versuche, beginnt ein durchfrosteter Thomas schon einmal, nach Bewegungswärme sich sehnend, den Rückweg. Wenig später, wieder bei menschlicher Normaltemperatur angelangt, wartet er auf mich, und wir steigen beide, den Mindestabstand wahrend, an den Geierfelsen vorbei, hinab zum Parkplatz unserer Autos.

Nun fährt jeder seine Richtung…der Eine ins südliche Bayern zur Arbeit, der Andere nach Hause, und beide in der Hoffnung, dass alsbald wie möglich, alles wieder gut sein wird, in dieser momentan aus den Angeln gehobenen Welt…

Thomas Heinz Heldrungen 22.03.2020