Lienzer Dolomiten

4 freie Tage „stehen ins Haus“. Die Vorhersage des Wetterdienst vom ZAMG Innsbruck entscheidet über das Ziel der Reise.

Es gibt auf der ganzen Ostalpen- Wetterkarte für den Zeitraum 15. – 18.06.2019 nur einen sonnigen Fleck, die Lienzer Dolomiten. Eigentlich passt das ganz gut, denn dort waren wir zuvor noch nie gewesen.

So starten wir in aller Herrgottsfrühe (3:30 Uhr) in Hopfgarten bei Thomas Stäbler zu Hause um gut, wenn möglich ohne Stau über all die Highways und den Felbertauerntunnel nach Lienz, und von dort nach Leisach – Gries zum Parkplatz der Klammbrückl zu kommen. Das Parken dort ist kostenlos.

Ein landschaftlich traumhafter Wanderpfad entlang einer Klamm und durch Wälder, führt uns hoch zur Kerschbaumer Almenhütte auf 1.902m. Schon jetzt fühlen wir die richtige Wahl des Ziels. Die Almenhütte der Kerschbaumer Alm gehört dem ÖTK (Österreichischer Touristenklub) und zu unserer Freude erfahren wir, dass auch Gäste des Alpenverein herzlich willkommen sind, mit all den Vergünstigungen, welche wir in den DAV Hütten genießen dürfen. Diese Alm hat eine phantastische Lage, so schaut man auf ihrer Terrasse auf unzählige Felsentürme und Berge der Lienzer Dolomiten rings herum, gewissermaßen im Herzen dieser. So schmeckt uns nun, nach der langen Anreise und dem ca. 2,5 h Aufstieg hier herauf das Hefeweizen besonders gut in den wohltuenden Sonnenstrahlen. Unsere schweifenden, neugierigen Blicke auf die zum Teil (auf Grund des schneereichen Winters in den Alpen) noch gut verschneiten Berge, lassen uns erste Pläne für die darauf folgenden Tage schmieden. Da wir am 2. Tag unserer Reise sehr gern einen Gipfel erreichen möchten, so schlage ich vor den Normalweg auf die Weittalspitze (2.539m) zu probieren. Es gibt auch die Möglichkeit diesen über einen Klettersteig zu erreichen, aber meine Meinung, auf Grund des vielen Schnee mit dem Normalweg zu starten, überzeug am Ende auch Thomas.

So starten wir am 2. Tag nach dem Frühstück zu dieser Tour. Niemand weiter außer uns weit und breit, und das bei bestem Bergwetter – kaum zu glauben. Wo findet man dies heute noch? Schon bald sind in den Bergflanken die ersten Schneefelder zu überqueren. Die Steigeisen geben uns Halt. Auf dem Weittalsattel (2.343m), Thomas ist zirka ½ Stunde hinter mir, kommt mir ein Gedanke. Da es doch recht warm geworden ist und keine Menschenseele weit und breit zu sehen, entkleide ich mich vollständig und verstaue die Sachen im Rucksack. So laufe ich nur mit Bergsocken und Bergschuhen bekleidet, den Rucksack auf dem Rücken, die restlichen 200 hm über die Flanke zum Gipfel hinauf und trete dem Kreuz entgegen. Keine verschwitzte Kleidung und wieder mal was neues, so denke ich.

Nach unserem Abstieg wieder herunten auf der weitläufigen Alm, überqueren wir diese und steigen gegenüberliegend hinauf zum Hallebachtörl(2.420m) – dort rasten wir und genießen den Blick ringsherum auf das Gipfelmeer der Lienzer Dolomiten. Im Anschluss steigen wir wieder hinab und erklimmen einen weiteren Gipfel, nahe bei der Hütte, einen Wiesenkogel, welchen ich bereits als mögliches Ziel beim Aufstieg zum Hallebachtörl“ ausfindig machte. Weglos erklimmen wir dessen Haupt und genießen auch dort die Ruhe und Rundumsicht. Das dürfte für den 1.Tag in den Bergen genug sein. So fällt unsere Entscheidung zur Kerschbaumer Almenhütte zurück zu kehren. Wir genießen den Rest des Nachmittag in netter Gesellschaft auf der Hüttenterrasse und lassen die Blicke kreisen und fixieren diese auf ein neues Ziel – den Simonskopf, einen 2.687m hohen Felsenzahn – eine beeindruckende Gestalt. Thomas glaubt gar nicht daran, dass dieser Gipfel machbar wäre, so erkundige ich mich beim Christoph, dem Mann der Hüttenwirtin. Er erklärt mir vage den Weg, denn Markierungen oder ähnliches wären wohl dort nicht zu finden, es wurde doch erst vor nicht all zu langer Zeit das Gipfelkreuz dort aufgestellt und ein paar Stahlseile auf dem Grat angebracht. Das alles klingt für mich verlockend – nach einem kleinen Abenteuer und dann noch der Schnee der überall liegt – phantastisch denke ich. So lassen wir uns von Beate mit leckeren Speisen aus der Küche zum Abend verwöhnen und genießen das eine oder andere Bierchen und Schnapsl. Mit der Hüttenruhe ist es hier nicht ganz so streng wie auf Alpenvereinshütten, dennoch versuchen wir einigermaßen pünktlich in die gemütliche 3 Betten Kammer zu verschwinden. Diese Hütte ist genau das Richtige um Abstand vom Alltag zu bekommen, denke ich im Bett. Kein Strom im Zimmer, weil einfach – einfach genau das Richtige ist und bei der durch´s offene Fenster einströmenden Bergluft versinke ich zufrieden in Träume und tiefen Schlaf…

Tag 3 – beginnt mit einem guten Frühstück und da uns Beate so viel des Guten servierte, nehmen wir den Rest mit für die Jause. Nun starten wir durch´s Gatterl in die andere Richtung, in die Richtung des Felsenzahn Simonskopf. Was wird uns erwarten? Werden wir den Weg dort hinauf finden?

Zuerst durchqueren wir den zauberhaften Märchenwald, und außer uns ist wieder weit und breit niemand des Weges. Überall rinnt das Wasser herab, hier oben muss die Klamm ihren Ursprung haben. Weiter oben, wo der Wald lichter wird, durch Latschengassen hindurch, vorbei an den Gamswiesenspitzen, erreichen wir bald das Kerschbaumertörl (2.283m). Unser Weg führt uns nun weiter in Richtung der Ödkarscharte (2.596m). Ab hier sind wieder die ersten Schneefelder zu queren, schon bald im weitläufigen, leicht ansteigenden Kar ist die geschlossene Schneedecke noch mindestens 1 – 2 Meter unter unseren Füßen. Des Öfteren versinken wir in diesem recht tief. Stets die steilen Wände des Simonskopf zu unserer rechten Seite, dessen Bänder ebenso noch mit Schnee bedeckt sind. So schaue ich beim Laufen nach einem möglichen Einstieg. Wir spuren weiter, immer in Richtung der noch weit entfernten Ödkarscharte. Spuren eines möglichen Vorgängers finden wir keine, so spure ich nach meinem Gefühl den richtigen Weg vielleicht zu finden. Als die Flanken beginnen steiler zur Ödkarscharte hinauf zu ziehen, quere ich in ein weiteres Kar, dessen Name wie ich später erfahre – „Mohamedanerkar“. Dieses ebenso mit noch reichlich Schnee gefüllte Kar bietet Steilheit der besonderen Klasse. So erreicht diese Flanke bis 55°. Das Steigen wird nun noch mühsamer. Im oberen letzten Drittel ruft mir ein erschöpfter Thomas zu, dass er hier aussteigt. An einem Felsblock raste ich kurz und bitte ihn auf mich zu warten. Die Scharte ist schon in Sichtweite und meine Neugier lässt mich hier nicht aufgeben. So erreiche ich alsbald die Scharte und zu meiner Freude war mein Gespür scheinbar richtig. Ein Drahtseil leitet in den Grat. Thomas sehe ich von hier aus nicht mehr, aber ich rufe ihm zu. Er möchte dennoch nicht nachsteigen. So bitte ich ihn erneut auf mich zu warten. Schnell entledige ich mich vom Rucksack und lege den Gurt an. Nach einem kräftigen Schluck aus der Wasserflasche lasse ich all meine restlichen Sachen hier liegen und steige in den Grat ein. Von hier an beginnt eine wunderschöne Gratkletterei. Der Grat ist nicht durchgehend mit Seil versichert, teils brüchig. Es geht auf und ab mit atemberaubenden Tiefblicken, manchmal nur 2 Fuß breit. Die Sache ist natürlich sehr spannend für mich, da niemand weiter hier unterwegs ist. Geteilte Freude, ist doppelte Freude und geteilte Angst, die Halbe…und so sehe ich alsbald in der Ferne das Gipfelkreuz. Als ich es erreiche erschallt durch die Berge mein Freudenruf. So genieße ich ein paar Minuten der Stille auf dem Gipfel des Simonskopf (2.687m) und beginne im Anschluss die Gratkletterei zurück zur Scharte. Kurz vor dem Erreichen siehe da, es kommt noch jemand zur Scharte herauf. Als wir uns begegnen frage ich gleich nach Thomas.

Martina, auch allein des Weges, bestätigt mir das Thomas noch wartet. Gleichzeitig fragt sie mich nach dem Weiterweg, auch ihr ist ihr Alleingang nicht angenehm. Ich biete an, sofern Thomas doch noch den Wunsch hat auf den Gipfel zu steigen, die beiden zu begleiten. Nur wenige Augenblicke später kommt Thomas auch schon in unsere Sichtweite und gemeinsam steigen wir zum Gipfel.

Den Weg zurück genießen wir Drei bis zum Kerschbaumertörl, dort trennen sich unsere Wege. Wir verabschieden uns von Martina, einer wirklich sehr angenehmen Begleiterin aus Innsbruck, welche die Bergwelt genau so liebt wie wir.

Überglücklich erreichen wir unsere Almhütte und schon als wir beim Feierabendbier auf der Terrasse sitzen, reifen die Pläne für den nächsten Tag, dem Heimfahrtstag. Bereits bei unserer Ankunft hier oben auf der Alm stach uns eine imposante Felserscheinung ins Auge. Vom Hüttenwirt konnten wir erfahren, dass es sich dabei um das Kanzele (2.272m) handelt. Es sei auch möglich da hinauf zu kommen, zwar weglos aber schon machbar.

Also stellen wir uns den Wecker auf 5:00 Uhr und sagen Beate, dass wir versuchen bis 8:00 Uhr zum Frühstück zurück sein zu wollen. Das Kanzele, sozusagen als Frühsport. Der Wecker versäumt das Wecken, aber Thomas seine innere Uhr sorgt dafür. So schleichen wir uns aus der Hütte um die noch Schlafenden nicht zu Wecken. Es dämmert der Morgen als wir erneut durch den Wald empor steigen. Tags zuvor hatte ich mir eine mögliche Route mit dem Fernglas erspäht. Es ließ sich aber nicht ausmachen wir steil der Weg zur Scharte hinauf sein werden wird – ganz schön steil, aber die Stöcke bieten den Halt. Geschafft, zum Kanzele hinauf auf dessen Haupt leitet ein Drahtseil. Die Sonne steigt aus dem Gipfel des Simonskopf empor. Unsere Almenhütte liegt uns zu Füßen, der morgendliche Dunst löst sich in den wärmenden Strahlen der Morgensonne auf. Noch einmal genießen wir die augenblickliche Ruhe der Lienzer Dolomiten auf dem Gipfel des Kanzele.

Ein alkoholfreies Weizenbier um kurz nach 8:00 Uhr leitet über in das letzte Frühstück auf der Hütte. Auf dem Weg zurück zum Auto erfreuen wir uns noch einmal an den Schönheiten der Natur in den Lienzer Dolomiten. Dem ZAMG sei Dank, der Wetterbericht hielt tatsächlich was er uns „versprochen“ hatte und er bescherte uns diese wunderbaren Tage… Thomas Heinz im Juli 2019